Nur zwei von vier Mannheimer Bundestagsabgeordneten beantworten Fragen zur Novellierung des Klimaschutzgesetzes.
Bekanntlich plant die Ampelkoalition eine Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes, die die bisher geltenden Regeln für das Gegensteuern bei Überschreitungen der zulässigen Jahresemissionsmengen an Treibhausgasen aufweichen würde. Während nach der aktuellen Fassung des Gesetzes schon dann, wenn ein einzelner Sektor seine festgelegte Jahresemissionsmenge überschreitet, das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm mit Gegenmaßnahmen vorlegen muss, fordert die neue Fassung solche Gegenmaßnahmen nur noch dann, wenn eine zukünftig jährlich zu erstellende Prognose in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ergibt, dass die bis 2030 gesetzlich erlaubten Emissionsmengen aller Sektoren in der Summe voraussichtlich überschritten werden. In der Klima-Bewegung wird diese Lockerung des Gesetzes kritisch gesehen (siehe auch Kommentar unten).
Die Klimagerechtigkeitsinitiativen Parents & People for Future Mannheim, Fridays for Future Mannheim und Mannheim kohlefrei hatten Anfang Juni alle Mannheimer Bundestagsabgeordneten angeschrieben und gefragt, wie sie zu diesem Vorhaben stehen, und ob und unter welchen Voraussetzungen sie dieser Novellierung des Klimaschutzgesetzes zustimmen würden.
Geantwortet haben nur Gökay Akbulut (Linke) und Melis Sekmen (Grüne). Frau Akbulut lehnt die geplante Novellierung ab und verlangt ein Hochfahren statt einer Abschwächung von Zielvorgaben im Klimaschutz. Sie fordert u. a. eine „echte Verkehrs- und Wärmewende“ sowie einen „sozial-ökologischen Umbau“, damit der Klimaschutz nicht zu Lasten ärmerer Menschen geht. Frau Sekmen sieht die Novellierung – trotz notwendiger Kompromisse – positiv. Sie betont, dass die Emissionsbegrenzungen im Gesetz erhalten bleiben und hält die geplante Orientierung an den Prognosen für 2030 für einen „wichtigen Meilenstein“. Sie ist optimistisch, dass es auch bei der Reduzierung der Emissionen im Verkehrsbereich Fortschritte gibt.
Isabel Cademartori (SPD) und Konrad Stockmeier (FDP) haben auf unsere Anfrage nicht reagiert. Wir haben von ihnen weder eine inhaltliche Antwort erhalten noch eine Begründung, warum sie die Fragen nicht beantworten wollen. Wir können deshalb über die Gründe nur spekulieren. In jedem Fall scheint die Priorität des Klimaschutzes zumindest in Teilen des politischen Spektrums nicht mehr sehr hoch zu sein – schlechte Voraussetzungen für den dringend notwendigen Transformationsprozess, der in vielen Bereichen noch gar nicht richtig begonnen hat.
Noch größeres Risiko, dass notwendige Klimaschutzmaßnahmen verschleppt werden
Wenn in Zukunft die Treibhausgas-Emissionen nur noch in der Summe überwacht werden, können Über- und Unterschreitungen einzelner Sektoren miteinander verrechnet werden. Die Betreiber dieser Aufweichung wollen damit wohl vor allem die Überschreitungen im Sektor Verkehr (und jetzt wohl auch im Sektor Gebäude) quasi legalisieren, was allerdings die Probleme nicht löst und auch rechnerisch nur so lange gehen wird, wie der Sektor Industrie aufgrund hoher Energiepreise unter seinen Emissionsgrenzen bleibt. Noch schädlicher ist, dass für eine Verpflichtung zum „Nachsteuern“ nicht mehr die objektiven Ist-Emissionsdaten maßgeblich sein sollen, sondern „Projektionsdaten“, die durch Annahmen gestaltet werden können, etwa indem man erstmal „optimistisch“ davon ausgeht, dass 2029 die Emissionen stark sinken werden, weil man dann große Mengen an grünem Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen erwartet. Außerdem wird unnötig Zeit verschwendet, weil selbst dann, wenn eine derartige Projektion schon vor 2029 zu dem Ergebnis kommt, dass das 2030er-Ziel voraussichtlich verfehlt wird, erst noch ein Jahr auf die nächste Prognose gewartet werden soll, bevor „nachgesteuert“ werden muss. Der Spielraum der Bundesregierung bei Entscheidungen, ob überhaupt und wann sie auf Abweichungen vom geplanten Reduzierungspfad reagiert, würde deutlich größer. Gerade auch vor dem Hintergrund der Uneinigkeit in der Ampelkoalition über die praktische Umsetzung und die Priorität ihrer Klimapolitik hätte man mit dieser neuen „Freiheit“ ein noch viel größeres Risiko, dass notwendige Maßnahmen so lange verschleppt werden, bis es zu spät ist.