Wie ClimateView das Verfehlen der Mannheimer Klimaziele zeigt

Wie die Mannheimer Klimaziele nicht erreicht werden wollen wir an den Handlungsfeldern Energieproduktion, Industrie, Mobilität und Private Haushalte aufzeigen, da deren Einsparpotential am größten ist.

1 Energieproduktion

Photovoltaik

Im  Handlungsfeld Energieproduktion findet sich unter Stromproduktion zuvorderst die Photovoltaik-Offensive. Hier gibt es neben den Planzahlen konkrete Zielerreichungszahlen für das Jahr 2025. Die gute Nachricht ist, dass der Ausbau der PV voranschreitet. Allerdings wird das Ziel bei Weitem nicht erreicht: nur gut 30% des geplanten Ausbaus sind es bisher. Um das Ausbauziel 2030 noch irgendwie umzusetzen, müsste die bestehende Lücke in einer Art Sprint geschlossen und die jährlichen Zubauten enorm gesteigert werden.

Wind

Pläne für Windkraft in Mannheim wurden zwischenzeitlich zurückgenommen; ob diese noch weiter verfolgt werden ist unklar.

Dekarbonisierte Fernwärme

Aktuell von der MVV verbreitete Zahlen über den Anteil ‚grüner‘ Fernwärme und der nachweisbar dekarbonisierten Wärme differieren stark. Die Umsetzung von Geothermie Werken ist gegenüber der Planung sehr verzögert, zum Ausbau einer zusätzlichen großen Flusswärmepumpen gibt es bisher wenig Konkretes. 

Daher zweifeln wir Anfang 2025 doch stark an einer vollständigen Transformation der Fernwärme bis 2030.

2 Industrie

Im Handlungsfeld Industrie fallen 46 % aller Emissionen an. ClimateView weist für vier Maßnahmenbereiche lineare Emissionsminderungen aus; die einzelnen Maßnahmen selbst sind jedoch nicht mit konkreten Einsparungen verknüpft. Nachweise der tatsächlichen Emissionen für die Jahre 2020 bis 2024 sind nicht vorhanden. Hier entsteht der Eindruck, dass die Stadt zwar aktiv ist aber weder die Wirkungen ihrer Maßnahmen benennen noch die Wirksamkeit belegen kann.

3 Mobilität

Im KSAP wurde das Potenzial der Umstellung auf Elektromobilität analog der Planung der alten GroKo für 2030 angesetzt, in ClimateView ist davon nur ein Drittel verblieben.

Konkrete Zahlen finden sich im gesamten Bereich Mobilität nur für die PKW-Dichte pro Tausend Einwohner. Ausgehend von 483 PKW in 2020 wird für 2023 ein Ziel von 465 genannt. Tatsächlich sind es jedoch 479. Dieses Ziel wird als ebenso verfehlt. Leider fehlen andere mögliche Parameter (Verkehrszählungen, Spritverbrauch, ÖPNV-Daten), die geeignet sind, den Fortschritt der Emissionsminderungen zu beurteilen. Die Stadt ist gewiss mannigfaltig aktiv, welche konkreten CO2-Einsparungen damit erreicht werden bleibt zumeist unklar. Der Verkehrsversuch Innenstadt ist inzwischen rückabgewickelt, ein angekündigtes neues Konzept liegt nicht vor. So besteht auch in diesem für 24% aller Mannheimer Emissionen wichtigen Handlungsfeld der Eindruck eines Blindfluges.

4 Private Haushalte

Die Stadt Mannheim fördert die Umstellung fossiler Heizungsanlage zu erneuerbaren. Trotzdem wurden bisher beim Austausch im Bestandwohnungsbau überwiegend Gasheizungen eingebaut (etwa 1.500 seit 2023).

Das Einsparpotential der privaten Haushalte wird überwiegend in der Sanierung gesehen. Eine daran orientierte Sanierungsoffensive setzt sich zum Ziel jährlich 4% aller Bestandswohnungen energetisch zu sanieren, um den Energieeinsatz für Wärme entsprechend zu mindern. Bis 2023 konnten jedoch nur 4% aller Wohnungen saniert werden, die Zielerreichungslücke beträgt 75%. 

Summary

In den Handlungsfelder Industrie und Mobilität fallen knapp ¾ aller Emissionen an für die bisher keine Minderungen erkennbar sind oder berichtet wurden. Das Einsparpotential bei den privaten Haushalten wird zu 75% verfehlt. Die Dekarbonisierung der Fernwärme ist nicht so weit fortgeschritten wie von der MVV behauptet. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen widerspiegelt so die mangelnde finanzielle Ausstattung des Klimafonds, die unzureichende Bereitschaft der Stadt und Stadtgesellschaft zu einer Klimapolitik, die den Anforderungen des Klimaschutzaktionsplanes 2030 genügen würde.

Ergänzender offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan und zum Klimaneutralitätsziel 2030

Sehr geehrter Herr Specht,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimaschutz- und -Gerechtigkeitsinitiativen – haben am 23.11.2023 in einem offenen Brief an die Stadt Mannheim (z. Hd. Frau Bürgermeisterin Pretzell) eine Konkretisierung des Klimaschutzaktionsplans und die kurzfristige Einleitung von Maßnahmen zu dessen Umsetzung angemahnt. Grund dafür war und ist, dass wir bisher nicht erkennen können, wie die Stadt ihr bisher verfolgtes Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, erreichen will.

Am gleichen Tag hat der Mannheimer Morgen ein mit Ihnen geführtes Interview veröffentlicht, in dem Sie genau dieses 2030er-Ziel in Frage stellen. Dabei weisen Sie im Satz davor noch stolz auf das „Mission Label“ hin, das die Stadt für die Verfolgung dieses Ziels kürzlich von der EU erhalten hat.

Diese Erklärung hat uns sehr erstaunt. Soweit aus den wenigen Sätzen ersichtlich, begründen Sie das mit ungeklärten Finanzierungsfragen. Sie zitieren Ihren Amtsvorgänger Kurz, der „eingeräumt“ habe, dass die Transformation ohne die Unterstützung von Bund und Land nicht funktioniere. Eine wirklich neue Erkenntnis ist das nicht. Im Klimaschutzaktionsplan werden zu jedem Handlungsfeld „Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene“ genannt, zu denen auch „Förderprogramme“ und „Bereitstellung finanzieller Mittel“ gehören. D.h. diese Abhängigkeit war schon bei der Entstehung des KSAP und spätestens bei dessen Verabschiedung vor einem Jahr allen Beteiligten bekannt.

Diese Fördermittel jetzt quasi schon abzuschreiben, weil die Finanzierung des „Klima- und Transformationsfonds“ durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unsicher geworden ist, wäre sehr voreilig. Für die meisten der aktuell betroffenen Förderprogramme wird es Finanzierungsquellen geben müssen, schon deshalb, weil sonst die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes auf Bundesebene nicht mehr einhaltbar wären. Wenn die Stadt aufgrund dieser temporären Unwägbarkeiten gleich ihr Klimaneutralitätsziel aufgibt oder verschiebt, erweckt das eher den Eindruck, dass dafür nach einem Vorwand gesucht wurde.

Eine derartige Entscheidung darf nicht getroffen werden, bevor es konkrete Umsetzungskonzepte für die KSAP-Maßnahmen gibt, der Bedarf an öffentlichen Mitteln für die Finanzierung genau quantifiziert ist, und bevor die Fördermöglichkeiten durch EU-, Bundes- und Landesmittel abschließend geklärt und ausgereizt sind.

In dieser Woche beginnt die Weltklimakonferenz COP28. Im Vorfeld wurde in diversen Dokumenten wieder aufgezeigt, wie unzureichend die bisherigen Klimaschutzstrategien sind. Gleichzeitig verzeichnet die Meteorologie das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und eine weitere Zunahme von Extremwetterereignissen. Wenn die Erde bewohnbar bleiben soll, muss der Ausstieg aus fossiler Energie deutlich beschleunigt werden. Wenn dieser Prozess jetzt durch die Aufgabe oder Aufweichung von Klimazielen verzögert würde, wäre das politisch ein fatales Signal und ein schlechtes Beispiel für andere.

Wir erwarten, dass Mannheim bei der Transformation die vorab durch das „Mission Label“ honorierte Vorreiterfunktion auch tatsächlich wahrnimmt.

Über eine baldige Stellungnahme dazu würden wir uns freuen. Das gilt natürlich auch nach wie vor für unseren ursprünglichen offenen Brief vom 23.11..

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial