Wie ClimateView das Verfehlen der Mannheimer Klimaziele zeigt

Wie die Mannheimer Klimaziele nicht erreicht werden wollen wir an den Handlungsfeldern Energieproduktion, Industrie, Mobilität und Private Haushalte aufzeigen, da deren Einsparpotential am größten ist.

1 Energieproduktion

Photovoltaik

Im  Handlungsfeld Energieproduktion findet sich unter Stromproduktion zuvorderst die Photovoltaik-Offensive. Hier gibt es neben den Planzahlen konkrete Zielerreichungszahlen für das Jahr 2025. Die gute Nachricht ist, dass der Ausbau der PV voranschreitet. Allerdings wird das Ziel bei Weitem nicht erreicht: nur gut 30% des geplanten Ausbaus sind es bisher. Um das Ausbauziel 2030 noch irgendwie umzusetzen, müsste die bestehende Lücke in einer Art Sprint geschlossen und die jährlichen Zubauten enorm gesteigert werden.

Wind

Pläne für Windkraft in Mannheim wurden zwischenzeitlich zurückgenommen; ob diese noch weiter verfolgt werden ist unklar.

Dekarbonisierte Fernwärme

Aktuell von der MVV verbreitete Zahlen über den Anteil ‚grüner‘ Fernwärme und der nachweisbar dekarbonisierten Wärme differieren stark. Die Umsetzung von Geothermie Werken ist gegenüber der Planung sehr verzögert, zum Ausbau einer zusätzlichen großen Flusswärmepumpen gibt es bisher wenig Konkretes. 

Daher zweifeln wir Anfang 2025 doch stark an einer vollständigen Transformation der Fernwärme bis 2030.

2 Industrie

Im Handlungsfeld Industrie fallen 46 % aller Emissionen an. ClimateView weist für vier Maßnahmenbereiche lineare Emissionsminderungen aus; die einzelnen Maßnahmen selbst sind jedoch nicht mit konkreten Einsparungen verknüpft. Nachweise der tatsächlichen Emissionen für die Jahre 2020 bis 2024 sind nicht vorhanden. Hier entsteht der Eindruck, dass die Stadt zwar aktiv ist aber weder die Wirkungen ihrer Maßnahmen benennen noch die Wirksamkeit belegen kann.

3 Mobilität

Im KSAP wurde das Potenzial der Umstellung auf Elektromobilität analog der Planung der alten GroKo für 2030 angesetzt, in ClimateView ist davon nur ein Drittel verblieben.

Konkrete Zahlen finden sich im gesamten Bereich Mobilität nur für die PKW-Dichte pro Tausend Einwohner. Ausgehend von 483 PKW in 2020 wird für 2023 ein Ziel von 465 genannt. Tatsächlich sind es jedoch 479. Dieses Ziel wird als ebenso verfehlt. Leider fehlen andere mögliche Parameter (Verkehrszählungen, Spritverbrauch, ÖPNV-Daten), die geeignet sind, den Fortschritt der Emissionsminderungen zu beurteilen. Die Stadt ist gewiss mannigfaltig aktiv, welche konkreten CO2-Einsparungen damit erreicht werden bleibt zumeist unklar. Der Verkehrsversuch Innenstadt ist inzwischen rückabgewickelt, ein angekündigtes neues Konzept liegt nicht vor. So besteht auch in diesem für 24% aller Mannheimer Emissionen wichtigen Handlungsfeld der Eindruck eines Blindfluges.

4 Private Haushalte

Die Stadt Mannheim fördert die Umstellung fossiler Heizungsanlage zu erneuerbaren. Trotzdem wurden bisher beim Austausch im Bestandwohnungsbau überwiegend Gasheizungen eingebaut (etwa 1.500 seit 2023).

Das Einsparpotential der privaten Haushalte wird überwiegend in der Sanierung gesehen. Eine daran orientierte Sanierungsoffensive setzt sich zum Ziel jährlich 4% aller Bestandswohnungen energetisch zu sanieren, um den Energieeinsatz für Wärme entsprechend zu mindern. Bis 2023 konnten jedoch nur 4% aller Wohnungen saniert werden, die Zielerreichungslücke beträgt 75%. 

Summary

In den Handlungsfelder Industrie und Mobilität fallen knapp ¾ aller Emissionen an für die bisher keine Minderungen erkennbar sind oder berichtet wurden. Das Einsparpotential bei den privaten Haushalten wird zu 75% verfehlt. Die Dekarbonisierung der Fernwärme ist nicht so weit fortgeschritten wie von der MVV behauptet. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen widerspiegelt so die mangelnde finanzielle Ausstattung des Klimafonds, die unzureichende Bereitschaft der Stadt und Stadtgesellschaft zu einer Klimapolitik, die den Anforderungen des Klimaschutzaktionsplanes 2030 genügen würde.

Wie aussagekräftig sind die Daten in Climate View?

Mehr Wunschvorstellung als Realität

Seit Anfang 2024 gibt es in dem Web-basierten Software-Tool Climate View öffentlich zugängliche Daten zur Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans (KSAP) der Stadt Mannheim. Damit sollen die Fortschritte bei der Umsetzung des Plans nachverfolgbar gemacht werden.

Gegenüber dem KSAP gab es von Anfang an eine gewisse Skepsis, und mit der Zeit erscheint es immer unwahrscheinlicher, dass mit den bisher umgesetzten und den geplanten Maßnahmen bis 2030 die „Klimaneutralität“ (nach Definition der Stadt eine 80%ige Emissionsreduzierung) erreicht wird. Vertreter*innen der Stadt erklären demgegenüber nach wie vor, man sei bei der Umsetzung auf einem guten Weg, verweisen auf zahlreiche angestoßene Maßnahmen und auch immer wieder auf Climate View, wo der Status sichtbar sein soll.

Bei näherer Betrachtung des Tools ist allerdings die Aussagekraft der darin enthaltenen Informationen sehr begrenzt. Da die Daten großenteils aus dem KSAP übernommen wurden, hat Climate View auch die gleichen Schwachpunkte wie der KSAP.

Die Beschreibung der Maßnahmen ist trotz zusätzlicher Texte meist nicht konkreter als die der entsprechenden Aktivitäten im KSAP. 151 der 320 Maßnahmen haben aktuell den Status „in Umsetzung“ ohne das dabei klar wird, an was der Umsetzungsstand gemessen wird und welchen Effekt sie bisher haben.

Die Berechnung der Emissionsminderungspotenziale wird nicht erläutert und ist genauso wenig nachvollziehbar wie die der entsprechenden Angaben im KSAP. Das gilt sowohl für die Potenziale, die direkt aus dem KSAP übernommen wurden, als auch für die, die bei der Übertragung angepasst wurden.

Als Ausgangsbasis gelten die Ist-Emissionen von 2020 (2,55 Mio Tonnen), die infolge der Corona-Pandemie deutlich niedriger waren als die der Vorjahre und auch der Folgejahre. Die Emissionsminderungspotenziale, die als Absolutzahlen davon abgezogen werden, wurden während der Entstehung des KSAP auf Basis der Ist-Daten von 2018 berechnet. Damals lagen die Emissionen noch bei 3,1 Mio. Tonnen. Offenbar wird unterstellt, dass diese Potenziale unabhängig von der Emissionsbasis sind, was sehr unwahrscheinlich ist, egal ob die Potenzialzahlen an sich plausibel sind oder nicht.

Durch die lineare Interpolation der Emissionsminderungskurven entsteht der Eindruck, dass die Potenziale sich in mehr oder weniger konstanten Prozentsätzen pro Jahr quasi automatisch einstellen. In der Realität wird der Verlauf der Kurven vom Wirksamwerden der Umsetzungsschritte bestimmt.

Der nach 2020 eingetretene Wiederanstieg der Emissionen (auf 2,8 Mio. Tonnen 2022) ist zwar in einem Übersichtsdiagramm am Anfang dargestellt, in den Emissionsminderungskurven wird er allerdings nicht berücksichtigt. Laut Climate View hätten im Jahr 2022 die Emissionen bei 2,2 Mio Tonnen liegen müssen statt bei den realen 2,8 Mio Tonnen.

Aus den zusätzlich dargestellten Indikatoren (GWh erneuerbarer Strom, Pkw pro 1000 Einwohner*innen etc.) könnte man mehr oder weniger direkte Rückschlüsse auf Emissionsminderungen ziehen. Bei mehreren dieser Indikatoren gibt es erhebliche Abweichungen der Ist-Werte von den Soll-Werten (siehe Extra-Artikel dazu). Merkwürdigerweise haben diese Zielverfehlungen trotz der angenommenen Abhängigkeiten keinen Einfluss auf den dargestellten Verlauf der Emissionsminderungen.

Bei der Zielerreichungslücke (27% des gesamten Minderungspotenzials) bleibt unklar, wie die geschlossen werden soll. Nach den Erläuterungen dazu soll es sich um Emissionen handeln, die auf kommunaler Ebene nicht beeinflusst werden können. Es gibt aber keine Hinweise, welche Art von Emissionen da gemeint ist, und welche rechtlichen oder sonstigen Voraussetzungen auf anderen politischen Ebenen geschaffen werden müssten, um sie zu vermindern.

Dazu kommen noch andere Ungereimtheiten. In der Rechnung von Climate View werden die großenteils aus dem KSAP übernommenen Emissionsminderungspotenziale einfach addiert, wovor im KSAP ausdrücklich gewarnt wird, weil die Zahlen nicht unabhängig voneinander sind. Und obwohl die als Ausgangsbasis dienenden Ist-Zahlen nach dem BISKO-Standard berechnet wurden, wird bei den Emissionsminderungen auch die Netzstromverdrängung durch lokal erzeugten erneuerbaren Strom mitgerechnet.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Emissionskurven in Climate View eher die Wunschvorstellung der Verantwortlichen als die real erzielten Emissionsminderungen widerspiegeln. Zumindest bei der aktuellen Handhabung in Mannheim handelt es sich um ein statisches Modell auf wackliger Datenbasis, das einen kontinuierlichen Rückgang der Emissionen von 2020 bis 2030 unterstellt und Soll-Ist-Abweichungen bei den Emissionen nicht abbildet. Wenn man sich ein Bild vom Stand der Umsetzung des KSAP machen will, helfen einem die Emissionskurven in Climate View nicht weiter. Soll-Ist-Vergleiche gibt es nur bei den zusätzlichen Indikatoren, und da bestätigt sich eigentlich nur der Eindruck, dass die Umsetzung des KSAP massiv im Rückstand ist.

Was ist Climate View, und wie wird es in Mannheim verwendet?

Climate View ist ein Produkt einer schwedischen Firma, das von Städten aus mehreren Ländern zur Darstellung ihrer Klimaschutzmaßnahmen benutzt wird. Die Beiträge zur Emissionsminderung werden in sogenannten „Umstellungselementen“ abgebildet, die in einer hierarchischen Struktur übergeordneter „Umstellungsgruppen“ thematisch geordnet werden. Jedes Umstellungselement wird mit verbal beschriebenen Maßnahmen hinterlegt, durch die die angestrebte Emissionsminderung erreicht werden soll. Zur Verfolgung des Umsetzungsfortschritts wird jeder Maßnahme ein aktueller Status zugeordnet (geplant, in Umsetzung, umgesetzt oder fortlaufend). Die Verläufe von Emissionsminderungen können über eine Zeitachse grafisch dargestellt werden.

Bei der Übertragung des KSAP in Climate View wurde in Climate View eine Struktur von Umstellungsgruppen und Umstellungselementen angelegt, die der inhaltlichen Gliederung des KSAP in Handlungsfelder, Bausteine, Maßnahmen und Aktivitäten entspricht. Aus den Maßnahmen des KSAP wurden dabei in Climate View Umstellungselemente und aus den Aktivitäten des KSAP wurden in Climate View Maßnahmen. Daher gibt es jetzt 320 Maßnahmen statt der 81, die im KSAP stehen. Als Ausgangsbasis für die Emissionsminderung wurde der Ist-Wert der Mannheimer CO2-Bilanz von 2020 genommen (2,55 Mio. t).

Die Emissionsminderungspotenziale wurden großenteils 1:1 aus dem KSAP übernommen. In einigen Fällen (insbesondere im Handlungsfeld Mobilität) wurden sie geändert, ohne dass dies näher begründet wird. Bei allen Potenzialen wird jeweils unterstellt, dass sie bis 2030 voll realisiert werden, so dass man für 2030 eine Projektion der Emissionen erhält, die um die Summe aller Minderungspotenziale niedriger ist als die Emissionen von 2020. Der zeitliche Verlauf der Emissionsreduzierung wird in den meisten Fällen linear dargestellt.

Bei einigen Umstellungselementen wurde der jeweiligen Emissionsminderungskurve ein zeitlicher Soll- und Ist-Verlauf einer zusätzlichen Kennzahl in einem Diagramm vorangestellt, (GWh an erzeugtem erneuerbarem Strom, erneuerbarer Anteil der Fernwärme, Privat-Pkw pro 1000 Einwohner, Pkm im ÖPNV, E-Auto-Quote, Kumulierte Sanierungsrate, LED-Quote bei der Straßenbeleuchtung, E-Autos im städtischen Fahrzeugbestand).

Da die Summe der Potenziale nicht für die angestrebte Absenkung der Emissionen um 83% ausreicht, verbleibt eine „Zielerreichungslücke“.

Zu den Irritationen über den „MVV-Gashammer“

Ganz ohne Push-Maßnahmen wird der Ausstieg aus fossiler Energie nicht gelingen

Die MVV hat als bundesweit erstes Energieversorgungsunternehmen angekündigt, ihr Gasverteilnetz bis 2035 stillzulegen. Es soll in Zukunft auch keine Versorgung mit klimaneutralem Gas (Biomethan oder Wasserstoff) geben. Die Konsequenz ist, dass man ab 2035 in Mannheim kein Gas mehr zum Heizen, Kochen oder zur Warmwasserbereitung bekommt, weder von der MVV selbst noch von anderen Lieferanten. Alle Häuser, in denen bislang Erdgas genutzt wird, müssen bis dahin auf andere Wärmequellen umgestellt werden.

Ein weiterer Betrieb des Gasnetzes wäre nach Meinung der MVV wirtschaftlich unzumutbar. Das Erdgas werde in absehbarer Zeit immer teurer wegen steigender CO2-Abgaben. Auch die Netzentgelte würden stark ansteigen, weil da in Zukunft aufgrund der verkürzten Restnutzungszeit des Gasnetzes erhöhte Abschreibungen einkalkuliert werden, und weil die Kosten von immer weniger Kunden getragen werden müssen, wenn die anderen sich nach und nach vom Erdgas verabschieden. Die früheren Pläne, über das Gasnetz in Zukunft Bio-Methan oder „grünen“ Wasserstoff zu liefern, habe man aufgegeben, weil diese Gase in absehbarer Zeit nicht in ausreichenden Mengen verfügbar seien.

„Heulende Kunden“?

Besonders das Datum des geplanten Ausstiegs hat Irritationen und teilweise offenbar auch Empörung ausgelöst, weil bestehende Gasheizungen rein rechtlich noch 10 Jahre länger benutzt werden könnten. Der Mannheimer Morgen macht sich seit Bekanntwerden der Pläne zum Sprachrohr empörter Gasheizungsbesitzer und anderer mehr oder weniger betroffener Interessengruppen und schimpft über den „Mannheimer Gashammer“. Für Leute, die erst vor kurzem eine neue Gasheizung angeschafft haben, werde die jetzt schon nach 10 Jahren entwertet. Die Schornsteinfeger müssen nach eigenen Aussagen „heulende Kunden“ trösten. Fernwärme als Alternative zum Erdgas sei nicht oder nicht rechtzeitig verfügbar. Für Wärmepumpen reiche das Stromnetz nicht. Für Pelletheizungen sei kein Platz im Keller. In der Neckarstadt-West gebe es viele Häuser ohne Zentralheizung, die vor einer Umstellung erst kernsaniert werden müssen. Es gebe nicht genügend Heizungsmonteure, um 25.000 Gasheizungen innerhalb von 10 Jahren austauschen. Die Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.

Früher Gas-Ausstieg für Schutz des Klimas und der Verbraucher*innen besser

Durch die Verbrennung von Erdgas wurden 2022 in Mannheim ca. 480.000 Tonnen CO2 freigesetzt (17% der Mannheimer Emissionen). Je früher das aufhört, desto besser ist es für das Klima. Zum Teil wird dieses Erdgas an die Industrie über ein separates Hochdrucknetz geliefert, das noch länger (perspektivisch mit Wasserstoff) betrieben werden soll. Aber selbst, wenn die 480.000 Tonnen sich erstmal nur um die Hälfte vermindern, wären pro Jahr, um das dies früher geschieht, 240.000 Tonnen CO2 weniger in der Atmosphäre. Wenn man bedenkt, dass Mannheim schon 2030 klimaneutral sein soll, ist das Datum 2035 eher zu spät als zu früh.

Auch soziale Gesichtspunkte sprechen dafür, die Gasheizungen auszutauschen, bevor das Gas durch die CO2-Bepreisung so teuer wird, dass die Verbraucher*innen sich das Heizen nicht mehr leisten können. Alle, die jetzt einen „Vertrauensschutz“ für die Oberschlauen fordern, die sich in letzter Zeit schnell noch neue Last-Minute-Gasheizungen angeschafft haben in der Erwartung, die noch 20 Jahre benutzen zu können, müssten schließlich auch die Frage beantworten, wie sie diesen Leuten garantieren wollen, dass sie das Gas bis 2045 nicht nur bekommen, sondern auch bezahlen können. Es ist zu hoffen, dass der Gas-Ausstieg nach dieser Ankündigung ernster genommen wird als bisher, und dass ab jetzt keine Last-Minute-Gasheizungen mehr angeschafft werden, so dass dieser (eigentlich selbstverschuldete) „Lock-in-Effekt“ sich zumindest nicht noch weiter verstärkt.

Die Absage an „grünes“ Gas ist nachvollziehbar

„Grüner“ Wasserstoff oder Biomethan würden wohl tatsächlich allenfalls theoretisch als Ersatz für das fossile Erdgas in Frage kommen. Die MVV hat ein geplantes Vorhaben zur Eigen-Produktion von Biomethan aufgegeben. Und sie braucht selbst Biomethan, wenn sie ab 2030 die Besicherungsheizwerke für die Fernwärme klimaneutral betreiben will. Bei Wasserstoff sind sich inzwischen die meisten einig, dass er (zumindest in der „grünen“ durch Elektrolyse aus Wasser gewonnenen Variante) auf absehbare Zeit knapp und zum Heizen zu teuer bleiben wird. Um eine Wohnung klimaneutral mit grünem Wasserstoff zu heizen, würde man durch den Umweg über Wasserstoff mehr als 4 mal so viel Strom verbrauchen wie mit einer Wärmepumpe.

Die Politik müsste stärker beteiligt sein

Der Stilllegungsplan wird als betriebswirtschaftliche Entscheidung der MVV dargestellt. Die Politik war scheinbar nicht involviert. OB Specht sagt zwar, im Aufsichtsrat der MVV sei darüber informiert worden. Es habe dort aber keine Abstimmung gegeben (generell unterstützt er das Vorhaben). Andere Politiker*innen wurden offenbar von der Ankündigung überrascht. Ein positiver Aspekt dabei ist möglicherweise, dass der MVV – anders als bei einer politischen Entscheidung – weniger „grüne Ideologie“ unterstellt wird. Man sollte aber eigentlich erwarten, dass Entscheidungen dieser Art nur unter Beteiligung der Kommunalpolitik getroffen werden. Einige der oben zitierten Beschwerden sind ja begründet. Wenn alle, die als Hausbesitzende oder zur Miete Wohnende von dem Gas-Ausstieg betroffen sind, bis 2035 eine bezahlbare alternative Heizung bekommen sollen, müssen verschiedene Voraussetzungen geschaffen werden, um die sich auch die Politik kümmern muss.

Rechtzeitige und bezahlbare Alternativen benötigt

Einiges davon hat die MVV selbst in der Hand. Dass die Fernwärme in den Erschließungsgebieten verfügbar ist, bevor das Gasnetz stillgelegt wird, sollte in ihrem eigenen Interesse liegen. Durch Anschlussgebühren und Preisgestaltung sollte sie außerdem dafür sorgen, dass die Fernwärme eine attraktive Alternative ist. Eine Deckelung der Netzentgelte könnte die letzten verbleibenden Gas-Kunden vor Überlastung schützen. Es ist nicht einzusehen, warum die Kunden überhaupt die vorgezogenen Abschreibungen für das Gasnetz bezahlen sollen. Hilfreich wäre auch ein vergünstigter Stromtarif für Wärmepumpen. Die hohen Gewinne der MVV in den letzten Jahren sollten die nötigen finanziellen Spielräume bieten.

Bei anderen Randbedingungen ist die Politik in der Verantwortung. Die Förder- und Beratungsprogramme der Klimaschutzagentur müssen aufgestockt werden, damit alle für den schnellen Austausch der Gasheizungen und ggf. dafür notwendige energetische Sanierungsmaßnahmen Unterstützung bekommen. Ärmere Haushalte dürfen nicht überlastet werden. Die Förderung (einschließlich der von BAFA bzw. KfW) muss eine warmmietenneutrale Umstellung ermöglichen. Und es muss sichergestellt werden, dass die, die ihre Heizung tauschen wollen, nicht an fehlenden Handwerkskapazitäten scheitern.

Ganz ohne unpopuläre Push-Maßnahmen wird der Ausstieg aus fossilen Energien nicht gelingen. Ein paar Anreize für freiwillige Umstellungen werden nicht reichen, und einfach auf das Anziehen des CO2-Preises zu warten, wird am Ende nur zu sozialen Härten führen. In anderen Städten werden die Betreiber der Gas-Verteilnetze auch Pläne dieser Art vorlegen müssen. Zumindest dann, wenn die Klimaziele ernsthaft weiterverfolgt werden, wird das auch nicht der einzige Streitpunkt dieser Art bleiben (Kleiner Trost: die letzte Tankstelle in Mannheim wird wahrscheinlich rechtzeitig vor der Schließung unter Denkmalschutz gestellt 😉).

Mannheim kohlefrei Klimaschutz Forderungen zur Bundestagswahl

Klimageld

Das schon lange versprochene Klimageld wird sofort für die Jahre 2024 und 2025 an die in Deutschland lebenden Menschen ausbezahlt. Dabei werden soziale Kriterien beachtet und Bezieher*innen besonders hoher Einkommen nicht berücksichtigt. Der Klimafond wird über die sich sukzessive erhöhende CO2-Bespreisung gebildet, entsprechend steigt das Klimageld.Von diesem Mechanismus haben diejenigen Vorteile, die mit weniger klimaschädlichen Emissionen leben.

Investitionen in Klimaschutz

Es braucht eine konzertierte Politik von Bund, Ländern und Kommunen, die mit Hilfe eines Sondervermögens oder Aufhebung der Schuldenbremse die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft finanziert. U.a. auch zur Erweiterung der Finanzierungsspielräume für diesen Zweck muss die geplante und schon stattfindende Aufrüstung gestoppt werden. Mit den dann verfügbaren Mitteln müssen insbesondere die folgenden Maßnahmen umgesetzt werden:

  • Ausbau der Bahn und aller öffentlicher Verkehre zu einem flächendeckenden Angebot zu bezahlbaren Preisen. Die letzten Bahnpreiserhöhungen werden zurückgenommen und es werden kostengünstige, attraktive Preise für alle öffentlichen Verkehre angeboten. 
  • Umsetzung der Wärmewende durch die massive Förderung erneuerbarer Fern- und Nahwärme und den Ersatz fossiler Gebäudeheizungen.
  • Auf- und Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur für den elektrifizierten Verkehr. 
  • Verstärkte Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien, den Umbau des Stromnetzes und in ausreichende Speicherkapazitäten.
  • Ausrichtung der Förderung der Industrie ausschließlich auf klimaerhaltende Produktion
  • Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass die Fördermittel der EU für die Landwirtschaft vorrangig dem ökologischen und klimaerhaltenden Anbau zugutekommen.

Streichung aller fossilen Subventionen

  • Streichung des Dienstwagenprivilegs
  • Besteuerung Kerosin
  • Streichung des Dieselprivilegs
  • sofortiger Stopp des Braunkohle-Tagebaus
  • Sofortiger Stopp des Ausbaus der LNG-Infrastruktur

Beibehaltung der bestehenden Klimaschutzgesetzgebung

  • Im Klimaschutzgesetz werden die Sektorenverantwortlichkeit und die Verpflichtung zu Sofortprogrammen im Fall von Überschreitungen der Sektorziele wieder eingeführt. Damit müssen die fortlaufenden Zielverfehlungen des Mobilitätssektors endlich mit Maßnahmen zur Emissionsminderung in diesem Bereich belegt werden (ua. Tempolimits)

Stellungnahme der Klimagruppen zum Podcast 68 Grad des Mannheimer Morgen

Skepsis wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung

Der Mannheimer Morgen veröffentlich seit einigen Wochen unter dem Titel 68 Grad im Zwei-Wochen-Rhythmus Folgen eines Podcast zu Auswirkungen der Klimaerwärmung in Mannheim und zur städtischen Klimaschutzpolitik, in denen Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu Wort kommen. An sich ist das positiv, speziell auch deshalb, weil dieses Thema in der herrschenden Politik und in der Medienberichterstattung ansonsten trotz zunehmender objektiver Dringlichkeit leider stark an Priorität eingebüßt hat.

Einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt bildet in dem Podcast die Beteiligung der Stadt am EU-Programm 100 Climate Neutral Cities und das dabei verfolgte Ziel, bis 2030 auf örtlicher Ebene Klimaneutralität zur erreichen. Zu diesem Thema wurden in zwei Folgen Vertreter*innen der Stadt, des IFEU-Instituts und der in Mannheim aktiven Umwelt und Klimagerechtigkeitsinitiativen interviewt. Von Seiten der Stadt wurde erklärt, man sei auf einem guten Weg, das selbstgesetzte Ziel zu erreichen, die CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 80% (nicht etwa 100%!) zur reduzieren. Die Klimagruppen haben das bestritten. Speziell in den Sektoren Wärme und Verkehr wären deutlich weitgehendere Schritte nötig. Wichtiger als das Datum einer Klimaneutralität sei außerdem die Einhaltung des auf Mannheim rechnerisch entfallenden Teils des für die Einhaltung der Pariser Klimaziele noch verbleibenden CO2-Emissionsbudgets.

Wir, die Mannheimer Klimagruppen, waren in den Interviews vertreten. Nachdem zu den Podcast-Folgen zum Klimaneutralitätsziel am 02.08. noch ein Artikel im Mannheim Morgen erschienen ist, halten wir es für nötig, zu dem Thema nochmals aus unserer Sicht Stellung zu nehmen. Das liegt nicht daran, dass unsere Aussagen im Podcast falsch oder unvollständig wiedergegeben worden wären, sondern an der Botschaft, die der MM im Podcast und in dem genannten Artikel u. a. auch aus unseren Beiträgen gemacht hat. Die verantwortlichen Redakteur*innen haben in ihren Kommentierungen von Anfang an kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie Zweifel an der Realisierbarkeit und der Sinnhaftigkeit des 2030er-Klimaneutralitätsziels der Stadt haben. Unsere kritischen Stellungnahmen zum Stand der Klimaschutzaktivitäten interpretieren sie offenbar auch als generelle „Skepsis“ gegenüber der Erreichbarkeit des Klimaneutralitätsziels. Im besten Fall wäre das ein Missverständnis, im schlechteren eine missbräuchliche Umdeutung unserer Aussagen.

Wenn man das globale 1,5-Grad-Klimaziel einhalten will, kann man sich die lokalen Klimaziele nicht aussuchen. Die wissenschaftliche Tatsache, dass die Menge der CO2-Emissionen direkt proportional zur Erderwärmung ist, lässt eigentlich nur die Einhaltung klar begrenzter Emissionsbudgets zu, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Mannheim darf bis zum Erreichen der tatsächlichen Klimaneutralität nur noch den rechnerisch auf die Zahl seiner Einwohner*innen entfallenden Anteil des globalen CO2-Budgets emittieren. Nach aktuellen Berechnungen wären das ab Anfang 2023 noch 10 Millionen Tonnen. Jede Tonne CO2, um die Mannheim dieses Budget überschreitet, müsste woanders auf der Erde zusätzlich eingespart werden. Mit der dahinterstehenden Physik kann man nicht verhandeln.

Das Mannheimer Klimaneutralitätsziel nennt, wie alle anderen wohlgemeinten politischen Ziele, eine irgendwie definierte Klimaneutralität zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen, nur das Datum, an dem die Emissions-Minderung eingetreten sein soll. Ohne die exakte Bestimmung eines Emissionspfades (wieviel weniger in welchem Zeitraum) können solche Klimaneutralitätsziele theoretisch auch bis kurz vor Zielerreichung ohne Einsparungen auskommen, um dann mit Last-Minute-Reduzierungen doch noch durch die Tür zu kommen. Dabei bleibt außer Acht, dass in der Zwischenzeit die noch verfügbaren Emissionsbudgets mehrfach verbraucht sein können. Erwartungen an die Umsetzung in letzter Minute sind nicht realistisch. Im Gegenteil: Viele weit in der Zukunft liegende Klimaneutralitätsziele (Schifffahrt und Luftverkehr 2050, China 2060, USA 2050, EU 2050) wollen den Eindruck entschlossenen Handelns erwecken, während die praktische Umsetzung einem weitgehenden „weiter-so“ verpflichtet scheint (kein Land erreicht derzeit seine Klimaziele). Die Beliebigkeit der Klimaziele befördert eine Beliebigkeit in der Umsetzung. Wenn man meint, noch Zeit zu haben, ist es auch leichter, zu sagen, man sei auf einem guten Weg.

Selbst wenn das CO2, das Mannheim pro Jahr emittiert, wie geplant von 2023 bis 2030 linear (d.h. ohne Last-Minute-Effekte) um 2 Millionen Tonnen reduziert würde, lägen die kumulierten Emissionen in diesem Zeitraum zwischen 10,5 und 12 Millionen Tonnen, d.h. über dem Budget. Insofern gibt es auch bei dem 2030er-Ziel auf keinen Fall Spielraum für weitere Aufweichungen.

Die aktuellen Emissionen sind kein Naturgesetz. Physikalisch ist es auf jeden Fall möglich, sie im Rahmen des Budgets herunterzufahren. Behindert wird das durch vielfältige historisch gewachsene Abhängigkeiten von fossiler Energie, wirtschaftliche Interessen, unzureichende Finanzmittel und die Verflechtung mit dem noch länger „fossilen“ Umland.

Dass es trotz dieser Hindernisse politisch möglich ist, das Budget oder zumindest das Mannheimer 2030er-Ziel einzuhalten, wird man momentan weder beweisen noch widerlegen können. Dazu ist die Planung in vielen Bereichen noch zu unkonkret, und die politischen Entscheidungen sind zu unberechenbar. Die Erreichbarkeit hängt von der Veränderungsbereitschaft und dem Willen und Zusammenwirken aller Akteure auf lokaler, Landes-, Bundes- und EU-Ebene ab und auch davon, wieviel Druck aus dem klimabewussten Teil der Öffentlichkeit kommt.

Was bislang in dieser Richtung praktisch passiert, reicht nicht, und es gibt Gründe für die Annahme, dass Mannheim in diesem Tempo weder sein Budget einhalten noch bis 2030 im oben genannten Sinne „klimaneutral“ wird. Das heißt aber nicht, dass das objektiv nicht gehen würde.

Wenn der MM tatsächlich um den Klimaschutz besorgt ist, könnte er mehr erreichen, wenn er eine Konkretisierung der Planung für die notwendige Transformation und eine Beschleunigung der Umsetzung anmahnen würde, anstatt darüber zu spekulieren, ob das Ziel vielleicht zu ambitioniert und gar nicht erreichbar ist. Letzteres wird bestimmt nichts beschleunigen und am Ende die Skepsis eher zur selbsterfüllenden Prophezeiung machen.

Der MM nennt auch nicht etwa eine alternative Strategie mit längerem Zeithorizont, sondern empfiehlt nur, statt definierten Emissionsreduzierungszielen einfach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ zu folgen. Vielleicht würde das den Klimaschutz für einige Verantwortliche stressfreier machen. Dem Pariser Klima-Ziel würde es aber bestimmt nicht Rechnung tragen, und wenn alle dem folgen würden, wäre der Stress mit den Folgen der Klimakatastrophe nachher umso größer.

Mannheim kohlefrei

Parents & People for Future Mannheim

Fridays for Future Mannheim

Fuss e.V. Mannheim

Mannheim zero

Letzte Generation Rhein-Neckar

PM von Mannheim kohlefrei zu den Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der Letzten Generation auch in Mannheim

10. August 2024

Wir wehren uns entschieden gegen die Kriminalisierung der Mitglieder und der Organisation Letzte Generation für Aktionen des zivilen Ungehorsams wie zuletzt die Flughafenblockade in Frankfurt. Statt solche Aktionen zu kriminalisieren ist es unbedingt erforderlich, dass der Flugverkehr reduziert wird.

Die Luftfahrindustrie ist gegenwärtig für gut 3 % der globalen CO2 Emissionen verantwortlich. Berücksichtigt man alle Klimaeffekte, liegt der Anteil bei rund fünf Prozent.

Davon unbeeindruckt erwartet das globale Netzwerk der Luftverkehrsindustrie (ATAG) eine Verdoppelung des Flugverkehrs bis 2050. Dieser soll dann klimaneutral erfolgen. Bei dieser Art von Klimaneutralität handelt es sich um eine Mär. Jegliche Art der Beförderung von Sachen oder Personen mittels hoher Geschwindigkeit und in großen Höhen bedarf eines enormen Energieaufwandes, dessen Ersatz durch erneuerbare Ressourcen schlichtweg nicht darstellbar ist.

Erst kürzlich ist in Hamburg der Plan gescheitert im großen Stil CO2-freies Kerosin herzustellen. Nirgends zeichnen sich Lieferanten für die ab 2025 benötigten Mengen an nachhaltigen Flugtreibstoffe ab. Die Pläne für spätere Jahre sind damit obsolet, alternative Antriebe für die Masse der großen Flieger nirgendwo verfügbar. 

Für die Stadt Mannheim steht die Beendigung der städtischen Subventionen für den Flughafen in Neuostheim auf der Tagesordnung.

Stellungnahme zur aktuellen MVV-Planung: Umstellung der Fernwärme bis 2030

Konfrontiert mit einem Zertifikat, das der MVV für 2022 nur 12,5 % erneuerbare Fernwärme bescheinigt, verweisen Aufsichtsratsvorsitzender OB Specht und Vorstandvorsitzender Müller im MM-Interview vom 23.03.2024 auf angeblich 60 % erneuerbare Wärme schon dieses Jahr. Im Jahr 2020 wurde die Müllverbrennung auf der Friesenheimer Insel an die Fernwärme angeschlossen, seitdem behauptet die MVV 30 % der Wärme seien grün. Das amtliche Zertifikat kann nicht mal die Hälfte davon bestätigen. Das wird auch gar nicht bestritten, sondern gleich mit der nächsten ‚grünen‘ Ankündigung beantwortet, an deren Realitätsgehalt aus unserer Sicht begründete Zweifel bestehen.

Wärme aus Holzverbrennung ist nicht klimaneutral

Dieses Jahr will die MVV hauptsächlich die Holzverbrennung auf der Friesenheimer Insel an die Fernwärme anschließen. Es werden 45 MW Wärme bereitgestellt, das sind etwa 15% der insgesamt erforderlichen Fernwärme und könnte die erneuerbare Fernwärme um diesen Prozentsatz erhöhen, wenn nicht Holzverbrennung zum Zwecke der Energie- und Wärmegewinnung sehr kritisch zu sehen wäre. Bei der Holzverbrennung wird  CO2 emittiert, das erst mit dem Nachwachsen des Waldes nach etwa 80 Jahren wieder ausgeglichen wird. Zudem verbrennt die MVV nach letzten Zahlen aus dem Jahr 2022 etwa 50% Hölzer die noch für andere stoffliche Verwertungen verwendet werden könnten. In Deutschland konkurrieren 146 Holzverbrennungsanlagen um die Ressource Altholz, es wird etwa 80 % des Altholzes verbrannt, während es in Italien und Frankreich nur etwa 20% sind. Deutschland importiert Altholz! In der Spanplattenproduktion wird wegen der geringen Altholzverfügbarkeit Frischholz eingesetzt. In dem Zeitraum in dem sich entscheidet, ob die Klimaziele eingehalten werden können ist es mehr als fraglich Wärme aus der Altholzverbrennung als klimaneutral an zu sehen. 

Müll

Seit 2024 ist die Müllverbrennung in den CO2-Zertifikatehandel mit einbezogen. Nur der biogene Anteil stellt grüne Fernwärme bereit (siehe Zertifikat 2022). Die von der MVV angestrebte Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) ist sehr energieintensiv und hat unseres Erachtens keine Chance auf Umsetzung bis 2030. CCS sollte nur da zum Einsatz kommen, wo Alternativen wie in der Zement- und chemischen Industrie noch nicht vorhanden sind. Unbedingt erforderlich ist eine Müllvermeidungsstrategie aller gesellschaftlichen Akteure.

Flusswärmepumpen

Seit Herbst 2023 betreibt die MVV eine Flusswärmepumpe mit 20 MW am Standort des GKM und kann damit den Anteil erneuerbarer Wärme geringfügig erhöhen. In modularer Bauweise sind zusätzlich gut 100 MW geplant. Es gibt noch keine genauen Fertigstellungsdaten. Das Fernwärmenetz wird überwiegend als Hochtemperaturnetz mit Vorlauftemperaturen von 130 Grad betrieben. Großwärmepumpen werden diese Temperaturen nicht erreichen und die bereitgestellte Wärme bedarf daher einer Nacherwärmung. Es kommt daher darauf an mit welchem Energieträger diese Nacherwärmung durchgeführt wird. Insofern dabei fossile Quellen genutzt werden, kann auch diese Wärme nicht als 100 % klimaneutral gewertet werden. Auch der Betrieb der Wärmepumpen kann nur dann als klimaneutral angesehen werden, wenn der Strom zu 100 % erneuerbar ist.

Geothermie

Die MVV Tochter GeoHardt plant bis zu drei Geothermie Werke mit jeweils 30 MW an Wärmeleistung die im Jahr 2030 zur Verfügung stehen sollen. Im Mannheimer Norden plant die Firma Vulcan Energy ebenso mehrere geothermische Anlagen zur Gewinnung von Lithium für die Batterieherstellung. Die Wärme aus diesen Anlagen wird für die Fernwärme zur Verfügung stehen.  Diese an sich positiven Planungen sind hinsichtlich des Zeithorizonts 2030 mit einigen Risiken behaftet. So hat sich die Auswertung der 3D Seismik aus der Aufsuchung von Anfang 2023 jetzt schon um etwa ein Jahr verzögert. Fündigkeit ist nicht garantiert, an möglichen Standorten mag es an Akzeptanz mangeln und langwierige politische und juristische Auseinandersetzungen zu bestehen sein. Bei der Umsetzung können technische, kostenintensive Schwierigkeiten auftreten. Für die verschiedenen Ausführungsschritte sind jeweils Genehmigungen einzuholen, die wiederum ihre Zeit benötigen. Und es kann dauern, bis eine Anlage wirklich in Produktion ist. Aus all dem sehen wir ein großes Risiko, dass die geothermischen Anlagen bis 2030 nicht im angedachten Umfang erneuerbare   Fernwärme bereitstellen können.

Spitzenlastheizwerke Rheinau und Friesenheimer Insel

Die beiden Spitzenlastheizwerke sollen mit von der MVV andernorts erzeugtem Biomethan betrieben werden. Wenn die anderen erneuerbaren Anlagen nicht im geplanten Umfang produktiv gehen können und die GKM-Blöcke stillgelegt sind, besteht das Risiko, dass die MVV zusätzlich fossiles Erdgas einsetzen muss. 

Zusammenfassung

Fernwärme aus Biomasse und Müll sind nicht klimaneutral, CCS ist keine Alternative zu klimaneutralen Energieträgern. Auf Flusswärme und Geothermie zu setzen ist prinzipiell gut. Hinsichtlich der späten Hinwendung der MVV auf diese erneuerbaren Energieträger bestehen begründete Zweifel, dass die Ziele bis 2030 erreicht werden können. Es besteht die Gefahr, dass nach 2030 neben der Müll- und Holzverbrennung auch weiterhin fossile Energieträger zur Fernwärmeversorgung in Mannheim beitragen müssen. Die Spitzenlastheizwerke müssten über ihren eigentlichen Zweck hinaus als reguläre Heizwerke mit Gas betrieben werden. Wenn gegen Ende der 20er Jahre absehbar wird, dass die vorhandenen erneuerbaren Energieträger nicht ausreichen, ist zu befürchten, dass ein Weiterlaufen der Steinkohleverbrennung in Neckarau über das Jahr 2030 hinaus als alternativlos dargestellt und durchgesetzt wird.

Zudem besteht eine große Lücke zwischen den Ankündigungen der MVV über den Prozentsatz grüner Wärme zu den tatsächlich erreichten Werten. Für 2022 wird nicht die Hälfte erreicht. Für 2023 liegt kein unabhängiges Zertifikat vor, die MVV verweist auf ein Zertifikat auf Basis von Plandaten (!!), das angeblich 42 % ausweist. In Herbst 2023 wurde nur die Flusswärmepumpe zusätzlich in Betrieb genommen, so dass von einem etwas höherem Anteil erneuerbarer Fernwärme auszugehen ist, der aber weit von den Plandaten entfernt sein dürfte. Ab 2024 wird die Wärme aus der Holzverbrennung genutzt und die beiden Spitzenlastheizwerke stehen zu Verfügung. Selbst wenn man die von MVV selbst zugrunde gelegten Prozentanteile der jeweiligen Energieträger (19 % Müll, 15 % Biomasse, 10 % Besicherung) unter Außerachtlassung der Flusswärmepumpe aufaddiert, werden die angekündigten 60 % nicht erreicht. Unter Berücksichtigung nur des biogenen Anteils aus der Müllverbrennung und nur der Biomasse aus nicht mehr verwendbaren Altholzklassen wird es nochmals deutlich weniger.

Die zögerliche Umsetzung wirklich erneuerbarer Wärmegewinnung, das Schönrechnen grüner Wärme zusammen mit den plakativen Ankündigungen zukünftiger grüner Wärme lassen uns doch sehr daran zweifeln, ob so die für 2030 angestrebten Ziele erreicht werden.

Ergänzender offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan und zum Klimaneutralitätsziel 2030

Sehr geehrter Herr Specht,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimaschutz- und -Gerechtigkeitsinitiativen – haben am 23.11.2023 in einem offenen Brief an die Stadt Mannheim (z. Hd. Frau Bürgermeisterin Pretzell) eine Konkretisierung des Klimaschutzaktionsplans und die kurzfristige Einleitung von Maßnahmen zu dessen Umsetzung angemahnt. Grund dafür war und ist, dass wir bisher nicht erkennen können, wie die Stadt ihr bisher verfolgtes Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, erreichen will.

Am gleichen Tag hat der Mannheimer Morgen ein mit Ihnen geführtes Interview veröffentlicht, in dem Sie genau dieses 2030er-Ziel in Frage stellen. Dabei weisen Sie im Satz davor noch stolz auf das „Mission Label“ hin, das die Stadt für die Verfolgung dieses Ziels kürzlich von der EU erhalten hat.

Diese Erklärung hat uns sehr erstaunt. Soweit aus den wenigen Sätzen ersichtlich, begründen Sie das mit ungeklärten Finanzierungsfragen. Sie zitieren Ihren Amtsvorgänger Kurz, der „eingeräumt“ habe, dass die Transformation ohne die Unterstützung von Bund und Land nicht funktioniere. Eine wirklich neue Erkenntnis ist das nicht. Im Klimaschutzaktionsplan werden zu jedem Handlungsfeld „Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene“ genannt, zu denen auch „Förderprogramme“ und „Bereitstellung finanzieller Mittel“ gehören. D.h. diese Abhängigkeit war schon bei der Entstehung des KSAP und spätestens bei dessen Verabschiedung vor einem Jahr allen Beteiligten bekannt.

Diese Fördermittel jetzt quasi schon abzuschreiben, weil die Finanzierung des „Klima- und Transformationsfonds“ durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unsicher geworden ist, wäre sehr voreilig. Für die meisten der aktuell betroffenen Förderprogramme wird es Finanzierungsquellen geben müssen, schon deshalb, weil sonst die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes auf Bundesebene nicht mehr einhaltbar wären. Wenn die Stadt aufgrund dieser temporären Unwägbarkeiten gleich ihr Klimaneutralitätsziel aufgibt oder verschiebt, erweckt das eher den Eindruck, dass dafür nach einem Vorwand gesucht wurde.

Eine derartige Entscheidung darf nicht getroffen werden, bevor es konkrete Umsetzungskonzepte für die KSAP-Maßnahmen gibt, der Bedarf an öffentlichen Mitteln für die Finanzierung genau quantifiziert ist, und bevor die Fördermöglichkeiten durch EU-, Bundes- und Landesmittel abschließend geklärt und ausgereizt sind.

In dieser Woche beginnt die Weltklimakonferenz COP28. Im Vorfeld wurde in diversen Dokumenten wieder aufgezeigt, wie unzureichend die bisherigen Klimaschutzstrategien sind. Gleichzeitig verzeichnet die Meteorologie das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und eine weitere Zunahme von Extremwetterereignissen. Wenn die Erde bewohnbar bleiben soll, muss der Ausstieg aus fossiler Energie deutlich beschleunigt werden. Wenn dieser Prozess jetzt durch die Aufgabe oder Aufweichung von Klimazielen verzögert würde, wäre das politisch ein fatales Signal und ein schlechtes Beispiel für andere.

Wir erwarten, dass Mannheim bei der Transformation die vorab durch das „Mission Label“ honorierte Vorreiterfunktion auch tatsächlich wahrnimmt.

Über eine baldige Stellungnahme dazu würden wir uns freuen. Das gilt natürlich auch nach wie vor für unseren ursprünglichen offenen Brief vom 23.11..

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

Offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan

Sehr geehrte Frau Pretzell,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen – unterstützen das Ziel der Stadt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Wir tun das, obwohl wir nach wie vor der Meinung sind, dass es für die Einhaltung der Pariser Klimaziele wichtiger wäre, die Gesamtmenge an CO2 zu begrenzen, die in der Stadt bis zum Erreichen der Klimaneutralität noch emittiert wird, als ein genaues Datum für die Klimaneutralität zu setzen.

In Anbetracht der knappen Zeit bis 2030 ist es für das Erreichen dieses Ziels unverzichtbar, dass ein realistischer Pfad vom Status Quo zur Klimaneutralität aufgezeigt wird und dass der Prozess der Transformation für alle transparent gemacht wird. Dazu gehört auch, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird, damit das Vorhaben von einer möglichst breiten Mehrheit mitgetragen wird.

Zurzeit können wir nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Der im letzten Jahr für Mannheim entwickelte Klimaschutzaktionsplan (KSAP) bietet keine Sicherheit, dass damit tatsächlich Klimaneutralität erreicht wird, weil der Inhalt an vielen Stellen noch sehr unkonkret ist, weil nicht gesichert ist, dass die Maßnahmen auch alle umgesetzt werden und weil es keine belastbare Abschätzung gibt, in welchem Umfang die CO2-Emissionen dadurch reduziert würden.

In Planung und Stand der Umsetzung des KSAP haben zumindest wir (die Klimagruppen) bisher nur punktuell Einblick erhalten. Der Inhalt des mit der EU abgeschlossenen „Klimastadtvertrags“, für den Mannheim das „Mission Label“ erhalten hat, ist weder der Öffentlichkeit noch uns bekannt. Die für die Nachverfolgung und Visualisierung der Transformation (Monitoring) vorgesehene Software Climateview ist noch nicht online und die Vorstellung dieser Software am „Runden Tisch“ hat verschiedene Fragen offengelassen. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger der Stadt dürften der Transformationspfad und der aktuelle Stand noch weniger transparent sein als für uns.

Wenn das 2030er-Ziel noch realistisch sein soll und dafür auch die nötige Unterstützung der Öffentlichkeit hergestellt werden soll, müssen die KSAP-Maßnahmen dringend konkretisiert und priorisiert werden. Vorrangig sind dabei die Maßnahmen in den Bereichen Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie wegen deren hohen Anteilen an den CO2-Emissionen und der teilweise absehbar langen Planungs- und Umsetzungszeiträume.

Für die Dekarbonisierung der Fernwärme ist ein Plan erforderlich, welche erneuerbaren Wärmequellen ab wann wieviel Energie pro Jahr liefern sollen, und es müssen entsprechende Vereinbarungen mit den 2/2 beteiligten Betreibern geschlossen werden. Ziel muss die frühestmögliche Unabhängigkeit von fossiler Energieerzeugung im GKM (auf jeden Fall vor 2030) und längerfristig auch die Reduzierung der Abhängigkeit von der Müllverbrennung sein.

Die kommunale Wärmeplanung muss abgeschlossen werden. Es muss schnell geklärt werden, in welchen Straßen die Bewohner bis wann mit einem Fernwärmeangebot rechnen können. Für den Netzausbau dürfen die betriebswirtschaftlichen Ziele der MVV nicht wichtiger sein als die Klimaziele. In Stadtteilen, die nicht mit Fernwärme versorgt werden können, müssen Alternativen angeboten werden (Nahwärme oder auch „kalte Nahwärme“ für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen).

Für die energetische Gebäudesanierung und den ggf. nötigen Heizungstausch müssen sehr schnell Beratungsangebote und ergänzende kommunale Förderprogramme (die nicht immer nach kurzer Zeit wieder vergriffen sind!) aufgesetzt werden. Damit sollen u.a. Voraussetzungen für eine warmmietenneutrale Sanierung geschaffen werden.

Für das Handlungsfeld Mobilität ist es wichtig, dass die Verkehrsplanung sehr schnell auf eine weitgehende Verlagerung des innerörtlichen Autoverkehrs auf Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV und eine leichtere Erreichbarkeit der Stadt aus dem Umland ohne Auto ausgerichtet wird. Voraussetzung für einen größeren Modal-Split-Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel (einschließlich der S-Bahn) ist erstmal die Wiederherstellung von deren Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Fahrtausfälle wegen Personalmangel oder maroder Infrastruktur dürfen nicht mehr vorkommen. Daneben müssen – wegen der langen Vorlaufzeiten – Planungsprozesse für Infrastrukturmaßnahmen wie zusätzliche Straßenbahnlinien und ein Vorrangnetz für den Radverkehr sehr kurzfristig eingeleitet werden. Es müssen auch konkretere Pläne für eine Umverteilung der Verkehrsfläche zugunsten des nicht-motorisierten Verkehrs und für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Innenstadt und in Stadtteilzentren und Wohngebieten erstellt werden.

Die Industrie muss offenlegen, in welchen Betrieben in welchem Umfang fossile Brennstoffe zur Erzeugung von Prozesswärme oder zur Eigenerzeugung von Heizwärme und Strom genutzt werden. Besonders für energieintensive Prozesse der Grundstoffindustrie müssen schnell Konzepte für die Umstellung auf Strom, grünen Wasserstoff oder andere erneuerbare Brennstoffe entwickelt werden. Daneben sollten die betrieblichen Potenziale für die Eigenerzeugung von erneuerbarer Energie ermittelt und soweit möglich für die Deckung des Strom- und Heizenergiebedarfs genutzt werden.

Für jede Maßnahme muss ermittelt werden, wie viel CO2-Emissionen eingespart werden. Falls diese Potenziale nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen, muss der KSAP durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden.

Für den gesamten Prozess muss für ein transparentes Monitoring und eine regelmäßige Bürgerbeteiligung gesorgt werden. Von dem Monitoring erwarten wir, dass auch die Öffentlichkeit sich jederzeit ein Bild vom Status der Transformation machen kann. Insbesondere erwarten wir zudem, dass erkennbar ist, ob es Abweichungen vom geplanten Pfad gibt und ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um 2030 die Klimaneutralität zu erreichen.

Falls einige dieser Forderungen – ohne dass wir es mitbekommen haben – bereits erfüllt sein sollten, würden wir das begrüßen. Über eine baldige Stellungnahme und eine Gelegenheit zum Austausch über den Stand und das weitere Vorgehen bei der Umsetzung des KSAP würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

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