Wie ClimateView das Verfehlen der Mannheimer Klimaziele zeigt

Wie die Mannheimer Klimaziele nicht erreicht werden wollen wir an den Handlungsfeldern Energieproduktion, Industrie, Mobilität und Private Haushalte aufzeigen, da deren Einsparpotential am größten ist.

1 Energieproduktion

Photovoltaik

Im  Handlungsfeld Energieproduktion findet sich unter Stromproduktion zuvorderst die Photovoltaik-Offensive. Hier gibt es neben den Planzahlen konkrete Zielerreichungszahlen für das Jahr 2025. Die gute Nachricht ist, dass der Ausbau der PV voranschreitet. Allerdings wird das Ziel bei Weitem nicht erreicht: nur gut 30% des geplanten Ausbaus sind es bisher. Um das Ausbauziel 2030 noch irgendwie umzusetzen, müsste die bestehende Lücke in einer Art Sprint geschlossen und die jährlichen Zubauten enorm gesteigert werden.

Wind

Pläne für Windkraft in Mannheim wurden zwischenzeitlich zurückgenommen; ob diese noch weiter verfolgt werden ist unklar.

Dekarbonisierte Fernwärme

Aktuell von der MVV verbreitete Zahlen über den Anteil ‚grüner‘ Fernwärme und der nachweisbar dekarbonisierten Wärme differieren stark. Die Umsetzung von Geothermie Werken ist gegenüber der Planung sehr verzögert, zum Ausbau einer zusätzlichen großen Flusswärmepumpen gibt es bisher wenig Konkretes. 

Daher zweifeln wir Anfang 2025 doch stark an einer vollständigen Transformation der Fernwärme bis 2030.

2 Industrie

Im Handlungsfeld Industrie fallen 46 % aller Emissionen an. ClimateView weist für vier Maßnahmenbereiche lineare Emissionsminderungen aus; die einzelnen Maßnahmen selbst sind jedoch nicht mit konkreten Einsparungen verknüpft. Nachweise der tatsächlichen Emissionen für die Jahre 2020 bis 2024 sind nicht vorhanden. Hier entsteht der Eindruck, dass die Stadt zwar aktiv ist aber weder die Wirkungen ihrer Maßnahmen benennen noch die Wirksamkeit belegen kann.

3 Mobilität

Im KSAP wurde das Potenzial der Umstellung auf Elektromobilität analog der Planung der alten GroKo für 2030 angesetzt, in ClimateView ist davon nur ein Drittel verblieben.

Konkrete Zahlen finden sich im gesamten Bereich Mobilität nur für die PKW-Dichte pro Tausend Einwohner. Ausgehend von 483 PKW in 2020 wird für 2023 ein Ziel von 465 genannt. Tatsächlich sind es jedoch 479. Dieses Ziel wird als ebenso verfehlt. Leider fehlen andere mögliche Parameter (Verkehrszählungen, Spritverbrauch, ÖPNV-Daten), die geeignet sind, den Fortschritt der Emissionsminderungen zu beurteilen. Die Stadt ist gewiss mannigfaltig aktiv, welche konkreten CO2-Einsparungen damit erreicht werden bleibt zumeist unklar. Der Verkehrsversuch Innenstadt ist inzwischen rückabgewickelt, ein angekündigtes neues Konzept liegt nicht vor. So besteht auch in diesem für 24% aller Mannheimer Emissionen wichtigen Handlungsfeld der Eindruck eines Blindfluges.

4 Private Haushalte

Die Stadt Mannheim fördert die Umstellung fossiler Heizungsanlage zu erneuerbaren. Trotzdem wurden bisher beim Austausch im Bestandwohnungsbau überwiegend Gasheizungen eingebaut (etwa 1.500 seit 2023).

Das Einsparpotential der privaten Haushalte wird überwiegend in der Sanierung gesehen. Eine daran orientierte Sanierungsoffensive setzt sich zum Ziel jährlich 4% aller Bestandswohnungen energetisch zu sanieren, um den Energieeinsatz für Wärme entsprechend zu mindern. Bis 2023 konnten jedoch nur 4% aller Wohnungen saniert werden, die Zielerreichungslücke beträgt 75%. 

Summary

In den Handlungsfelder Industrie und Mobilität fallen knapp ¾ aller Emissionen an für die bisher keine Minderungen erkennbar sind oder berichtet wurden. Das Einsparpotential bei den privaten Haushalten wird zu 75% verfehlt. Die Dekarbonisierung der Fernwärme ist nicht so weit fortgeschritten wie von der MVV behauptet. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen widerspiegelt so die mangelnde finanzielle Ausstattung des Klimafonds, die unzureichende Bereitschaft der Stadt und Stadtgesellschaft zu einer Klimapolitik, die den Anforderungen des Klimaschutzaktionsplanes 2030 genügen würde.

Wie aussagekräftig sind die Daten in Climate View?

Mehr Wunschvorstellung als Realität

Seit Anfang 2024 gibt es in dem Web-basierten Software-Tool Climate View öffentlich zugängliche Daten zur Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans (KSAP) der Stadt Mannheim. Damit sollen die Fortschritte bei der Umsetzung des Plans nachverfolgbar gemacht werden.

Gegenüber dem KSAP gab es von Anfang an eine gewisse Skepsis, und mit der Zeit erscheint es immer unwahrscheinlicher, dass mit den bisher umgesetzten und den geplanten Maßnahmen bis 2030 die „Klimaneutralität“ (nach Definition der Stadt eine 80%ige Emissionsreduzierung) erreicht wird. Vertreter*innen der Stadt erklären demgegenüber nach wie vor, man sei bei der Umsetzung auf einem guten Weg, verweisen auf zahlreiche angestoßene Maßnahmen und auch immer wieder auf Climate View, wo der Status sichtbar sein soll.

Bei näherer Betrachtung des Tools ist allerdings die Aussagekraft der darin enthaltenen Informationen sehr begrenzt. Da die Daten großenteils aus dem KSAP übernommen wurden, hat Climate View auch die gleichen Schwachpunkte wie der KSAP.

Die Beschreibung der Maßnahmen ist trotz zusätzlicher Texte meist nicht konkreter als die der entsprechenden Aktivitäten im KSAP. 151 der 320 Maßnahmen haben aktuell den Status „in Umsetzung“ ohne das dabei klar wird, an was der Umsetzungsstand gemessen wird und welchen Effekt sie bisher haben.

Die Berechnung der Emissionsminderungspotenziale wird nicht erläutert und ist genauso wenig nachvollziehbar wie die der entsprechenden Angaben im KSAP. Das gilt sowohl für die Potenziale, die direkt aus dem KSAP übernommen wurden, als auch für die, die bei der Übertragung angepasst wurden.

Als Ausgangsbasis gelten die Ist-Emissionen von 2020 (2,55 Mio Tonnen), die infolge der Corona-Pandemie deutlich niedriger waren als die der Vorjahre und auch der Folgejahre. Die Emissionsminderungspotenziale, die als Absolutzahlen davon abgezogen werden, wurden während der Entstehung des KSAP auf Basis der Ist-Daten von 2018 berechnet. Damals lagen die Emissionen noch bei 3,1 Mio. Tonnen. Offenbar wird unterstellt, dass diese Potenziale unabhängig von der Emissionsbasis sind, was sehr unwahrscheinlich ist, egal ob die Potenzialzahlen an sich plausibel sind oder nicht.

Durch die lineare Interpolation der Emissionsminderungskurven entsteht der Eindruck, dass die Potenziale sich in mehr oder weniger konstanten Prozentsätzen pro Jahr quasi automatisch einstellen. In der Realität wird der Verlauf der Kurven vom Wirksamwerden der Umsetzungsschritte bestimmt.

Der nach 2020 eingetretene Wiederanstieg der Emissionen (auf 2,8 Mio. Tonnen 2022) ist zwar in einem Übersichtsdiagramm am Anfang dargestellt, in den Emissionsminderungskurven wird er allerdings nicht berücksichtigt. Laut Climate View hätten im Jahr 2022 die Emissionen bei 2,2 Mio Tonnen liegen müssen statt bei den realen 2,8 Mio Tonnen.

Aus den zusätzlich dargestellten Indikatoren (GWh erneuerbarer Strom, Pkw pro 1000 Einwohner*innen etc.) könnte man mehr oder weniger direkte Rückschlüsse auf Emissionsminderungen ziehen. Bei mehreren dieser Indikatoren gibt es erhebliche Abweichungen der Ist-Werte von den Soll-Werten (siehe Extra-Artikel dazu). Merkwürdigerweise haben diese Zielverfehlungen trotz der angenommenen Abhängigkeiten keinen Einfluss auf den dargestellten Verlauf der Emissionsminderungen. Es gibt auch keine Hinweise auf zusätzliche Maßnahmen zur Nachsteuerung, die bei so deutlichen Abweichungen von der Planung eigentlich notwendig wären, um den Rückstand aufzuholen.

Bei der von Anfang an ausgewiesenen „Zielerreichungslücke“ von 27% (Differenz zwischen der bis 2030 angestrebten Emissionsminderung und der Summe der angenommenen Minderungspotenziale) bleibt unklar, wie die geschlossen werden soll. Nach den Erläuterungen dazu soll es sich um Emissionen handeln, die auf kommunaler Ebene nicht beeinflusst werden können. Es gibt aber keine Hinweise, welche Art von Emissionen da gemeint ist, und welche rechtlichen oder sonstigen Voraussetzungen auf anderen politischen Ebenen geschaffen werden müssten, um sie zu vermindern.

Dazu kommen noch andere Ungereimtheiten. In der Rechnung von Climate View werden die großenteils aus dem KSAP übernommenen Emissionsminderungspotenziale einfach addiert, wovor im KSAP ausdrücklich gewarnt wird, weil die Zahlen nicht unabhängig voneinander sind. Und obwohl die als Ausgangsbasis dienenden Ist-Zahlen nach dem BISKO-Standard berechnet wurden, wird bei den Emissionsminderungen auch die Netzstromverdrängung durch lokal erzeugten erneuerbaren Strom mitgerechnet.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Emissionskurven in Climate View eher die Wunschvorstellung der Verantwortlichen als die real erzielten Emissionsminderungen widerspiegeln. Zumindest bei der aktuellen Handhabung in Mannheim handelt es sich um ein statisches Modell auf wackliger Datenbasis, das einen kontinuierlichen Rückgang der Emissionen von 2020 bis 2030 unterstellt und Soll-Ist-Abweichungen bei den Emissionen nicht abbildet. Wenn man sich ein Bild vom Stand der Umsetzung des KSAP machen will, helfen einem die Emissionskurven in Climate View nicht weiter. Soll-Ist-Vergleiche gibt es nur bei den zusätzlichen Indikatoren, und da bestätigt sich eigentlich nur der Eindruck, dass die Umsetzung des KSAP massiv im Rückstand ist.

Was ist Climate View, und wie wird es in Mannheim verwendet?

Climate View ist ein Produkt einer schwedischen Firma, das von Städten aus mehreren Ländern zur Darstellung ihrer Klimaschutzmaßnahmen benutzt wird. Die Beiträge zur Emissionsminderung werden in sogenannten „Umstellungselementen“ abgebildet, die in einer hierarchischen Struktur übergeordneter „Umstellungsgruppen“ thematisch geordnet werden. Jedes Umstellungselement wird mit verbal beschriebenen Maßnahmen hinterlegt, durch die die angestrebte Emissionsminderung erreicht werden soll. Zur Verfolgung des Umsetzungsfortschritts wird jeder Maßnahme ein aktueller Status zugeordnet (geplant, in Umsetzung, umgesetzt oder fortlaufend). Die Verläufe von Emissionsminderungen können über eine Zeitachse grafisch dargestellt werden.

Bei der Übertragung des KSAP in Climate View wurde in Climate View eine Struktur von Umstellungsgruppen und Umstellungselementen angelegt, die der inhaltlichen Gliederung des KSAP in Handlungsfelder, Bausteine, Maßnahmen und Aktivitäten entspricht. Aus den Maßnahmen des KSAP wurden dabei in Climate View Umstellungselemente und aus den Aktivitäten des KSAP wurden in Climate View Maßnahmen. Daher gibt es jetzt 320 Maßnahmen statt der 81, die im KSAP stehen. Als Ausgangsbasis für die Emissionsminderung wurde der Ist-Wert der Mannheimer CO2-Bilanz von 2020 genommen (2,55 Mio. t).

Die Emissionsminderungspotenziale wurden großenteils 1:1 aus dem KSAP übernommen. In einigen Fällen (insbesondere im Handlungsfeld Mobilität) wurden sie geändert, ohne dass dies näher begründet wird. Bei allen Potenzialen wird jeweils unterstellt, dass sie bis 2030 voll realisiert werden, so dass man für 2030 eine Projektion der Emissionen erhält, die um die Summe aller Minderungspotenziale niedriger ist als die Emissionen von 2020. Der zeitliche Verlauf der Emissionsreduzierung wird in den meisten Fällen linear dargestellt.

Bei einigen Umstellungselementen wurde der jeweiligen Emissionsminderungskurve ein zeitlicher Soll- und Ist-Verlauf einer zusätzlichen Kennzahl in einem Diagramm vorangestellt, (GWh an erzeugtem erneuerbarem Strom, erneuerbarer Anteil der Fernwärme, Privat-Pkw pro 1000 Einwohner, Pkm im ÖPNV, E-Auto-Quote, Kumulierte Sanierungsrate, LED-Quote bei der Straßenbeleuchtung, E-Autos im städtischen Fahrzeugbestand).

Da die Summe der Potenziale nicht für die angestrebte Absenkung der Emissionen um 83% ausreicht, verbleibt eine „Zielerreichungslücke“.

Ergänzender offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan und zum Klimaneutralitätsziel 2030

Sehr geehrter Herr Specht,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimaschutz- und -Gerechtigkeitsinitiativen – haben am 23.11.2023 in einem offenen Brief an die Stadt Mannheim (z. Hd. Frau Bürgermeisterin Pretzell) eine Konkretisierung des Klimaschutzaktionsplans und die kurzfristige Einleitung von Maßnahmen zu dessen Umsetzung angemahnt. Grund dafür war und ist, dass wir bisher nicht erkennen können, wie die Stadt ihr bisher verfolgtes Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, erreichen will.

Am gleichen Tag hat der Mannheimer Morgen ein mit Ihnen geführtes Interview veröffentlicht, in dem Sie genau dieses 2030er-Ziel in Frage stellen. Dabei weisen Sie im Satz davor noch stolz auf das „Mission Label“ hin, das die Stadt für die Verfolgung dieses Ziels kürzlich von der EU erhalten hat.

Diese Erklärung hat uns sehr erstaunt. Soweit aus den wenigen Sätzen ersichtlich, begründen Sie das mit ungeklärten Finanzierungsfragen. Sie zitieren Ihren Amtsvorgänger Kurz, der „eingeräumt“ habe, dass die Transformation ohne die Unterstützung von Bund und Land nicht funktioniere. Eine wirklich neue Erkenntnis ist das nicht. Im Klimaschutzaktionsplan werden zu jedem Handlungsfeld „Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene“ genannt, zu denen auch „Förderprogramme“ und „Bereitstellung finanzieller Mittel“ gehören. D.h. diese Abhängigkeit war schon bei der Entstehung des KSAP und spätestens bei dessen Verabschiedung vor einem Jahr allen Beteiligten bekannt.

Diese Fördermittel jetzt quasi schon abzuschreiben, weil die Finanzierung des „Klima- und Transformationsfonds“ durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unsicher geworden ist, wäre sehr voreilig. Für die meisten der aktuell betroffenen Förderprogramme wird es Finanzierungsquellen geben müssen, schon deshalb, weil sonst die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes auf Bundesebene nicht mehr einhaltbar wären. Wenn die Stadt aufgrund dieser temporären Unwägbarkeiten gleich ihr Klimaneutralitätsziel aufgibt oder verschiebt, erweckt das eher den Eindruck, dass dafür nach einem Vorwand gesucht wurde.

Eine derartige Entscheidung darf nicht getroffen werden, bevor es konkrete Umsetzungskonzepte für die KSAP-Maßnahmen gibt, der Bedarf an öffentlichen Mitteln für die Finanzierung genau quantifiziert ist, und bevor die Fördermöglichkeiten durch EU-, Bundes- und Landesmittel abschließend geklärt und ausgereizt sind.

In dieser Woche beginnt die Weltklimakonferenz COP28. Im Vorfeld wurde in diversen Dokumenten wieder aufgezeigt, wie unzureichend die bisherigen Klimaschutzstrategien sind. Gleichzeitig verzeichnet die Meteorologie das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und eine weitere Zunahme von Extremwetterereignissen. Wenn die Erde bewohnbar bleiben soll, muss der Ausstieg aus fossiler Energie deutlich beschleunigt werden. Wenn dieser Prozess jetzt durch die Aufgabe oder Aufweichung von Klimazielen verzögert würde, wäre das politisch ein fatales Signal und ein schlechtes Beispiel für andere.

Wir erwarten, dass Mannheim bei der Transformation die vorab durch das „Mission Label“ honorierte Vorreiterfunktion auch tatsächlich wahrnimmt.

Über eine baldige Stellungnahme dazu würden wir uns freuen. Das gilt natürlich auch nach wie vor für unseren ursprünglichen offenen Brief vom 23.11..

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

Offener Brief der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan

Sehr geehrte Frau Pretzell,

wir – die unterzeichnenden Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen – unterstützen das Ziel der Stadt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Wir tun das, obwohl wir nach wie vor der Meinung sind, dass es für die Einhaltung der Pariser Klimaziele wichtiger wäre, die Gesamtmenge an CO2 zu begrenzen, die in der Stadt bis zum Erreichen der Klimaneutralität noch emittiert wird, als ein genaues Datum für die Klimaneutralität zu setzen.

In Anbetracht der knappen Zeit bis 2030 ist es für das Erreichen dieses Ziels unverzichtbar, dass ein realistischer Pfad vom Status Quo zur Klimaneutralität aufgezeigt wird und dass der Prozess der Transformation für alle transparent gemacht wird. Dazu gehört auch, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird, damit das Vorhaben von einer möglichst breiten Mehrheit mitgetragen wird.

Zurzeit können wir nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Der im letzten Jahr für Mannheim entwickelte Klimaschutzaktionsplan (KSAP) bietet keine Sicherheit, dass damit tatsächlich Klimaneutralität erreicht wird, weil der Inhalt an vielen Stellen noch sehr unkonkret ist, weil nicht gesichert ist, dass die Maßnahmen auch alle umgesetzt werden und weil es keine belastbare Abschätzung gibt, in welchem Umfang die CO2-Emissionen dadurch reduziert würden.

In Planung und Stand der Umsetzung des KSAP haben zumindest wir (die Klimagruppen) bisher nur punktuell Einblick erhalten. Der Inhalt des mit der EU abgeschlossenen „Klimastadtvertrags“, für den Mannheim das „Mission Label“ erhalten hat, ist weder der Öffentlichkeit noch uns bekannt. Die für die Nachverfolgung und Visualisierung der Transformation (Monitoring) vorgesehene Software Climateview ist noch nicht online und die Vorstellung dieser Software am „Runden Tisch“ hat verschiedene Fragen offengelassen. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger der Stadt dürften der Transformationspfad und der aktuelle Stand noch weniger transparent sein als für uns.

Wenn das 2030er-Ziel noch realistisch sein soll und dafür auch die nötige Unterstützung der Öffentlichkeit hergestellt werden soll, müssen die KSAP-Maßnahmen dringend konkretisiert und priorisiert werden. Vorrangig sind dabei die Maßnahmen in den Bereichen Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie wegen deren hohen Anteilen an den CO2-Emissionen und der teilweise absehbar langen Planungs- und Umsetzungszeiträume.

Für die Dekarbonisierung der Fernwärme ist ein Plan erforderlich, welche erneuerbaren Wärmequellen ab wann wieviel Energie pro Jahr liefern sollen, und es müssen entsprechende Vereinbarungen mit den 2/2 beteiligten Betreibern geschlossen werden. Ziel muss die frühestmögliche Unabhängigkeit von fossiler Energieerzeugung im GKM (auf jeden Fall vor 2030) und längerfristig auch die Reduzierung der Abhängigkeit von der Müllverbrennung sein.

Die kommunale Wärmeplanung muss abgeschlossen werden. Es muss schnell geklärt werden, in welchen Straßen die Bewohner bis wann mit einem Fernwärmeangebot rechnen können. Für den Netzausbau dürfen die betriebswirtschaftlichen Ziele der MVV nicht wichtiger sein als die Klimaziele. In Stadtteilen, die nicht mit Fernwärme versorgt werden können, müssen Alternativen angeboten werden (Nahwärme oder auch „kalte Nahwärme“ für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen).

Für die energetische Gebäudesanierung und den ggf. nötigen Heizungstausch müssen sehr schnell Beratungsangebote und ergänzende kommunale Förderprogramme (die nicht immer nach kurzer Zeit wieder vergriffen sind!) aufgesetzt werden. Damit sollen u.a. Voraussetzungen für eine warmmietenneutrale Sanierung geschaffen werden.

Für das Handlungsfeld Mobilität ist es wichtig, dass die Verkehrsplanung sehr schnell auf eine weitgehende Verlagerung des innerörtlichen Autoverkehrs auf Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV und eine leichtere Erreichbarkeit der Stadt aus dem Umland ohne Auto ausgerichtet wird. Voraussetzung für einen größeren Modal-Split-Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel (einschließlich der S-Bahn) ist erstmal die Wiederherstellung von deren Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Fahrtausfälle wegen Personalmangel oder maroder Infrastruktur dürfen nicht mehr vorkommen. Daneben müssen – wegen der langen Vorlaufzeiten – Planungsprozesse für Infrastrukturmaßnahmen wie zusätzliche Straßenbahnlinien und ein Vorrangnetz für den Radverkehr sehr kurzfristig eingeleitet werden. Es müssen auch konkretere Pläne für eine Umverteilung der Verkehrsfläche zugunsten des nicht-motorisierten Verkehrs und für Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Innenstadt und in Stadtteilzentren und Wohngebieten erstellt werden.

Die Industrie muss offenlegen, in welchen Betrieben in welchem Umfang fossile Brennstoffe zur Erzeugung von Prozesswärme oder zur Eigenerzeugung von Heizwärme und Strom genutzt werden. Besonders für energieintensive Prozesse der Grundstoffindustrie müssen schnell Konzepte für die Umstellung auf Strom, grünen Wasserstoff oder andere erneuerbare Brennstoffe entwickelt werden. Daneben sollten die betrieblichen Potenziale für die Eigenerzeugung von erneuerbarer Energie ermittelt und soweit möglich für die Deckung des Strom- und Heizenergiebedarfs genutzt werden.

Für jede Maßnahme muss ermittelt werden, wie viel CO2-Emissionen eingespart werden. Falls diese Potenziale nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen, muss der KSAP durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden.

Für den gesamten Prozess muss für ein transparentes Monitoring und eine regelmäßige Bürgerbeteiligung gesorgt werden. Von dem Monitoring erwarten wir, dass auch die Öffentlichkeit sich jederzeit ein Bild vom Status der Transformation machen kann. Insbesondere erwarten wir zudem, dass erkennbar ist, ob es Abweichungen vom geplanten Pfad gibt und ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um 2030 die Klimaneutralität zu erreichen.

Falls einige dieser Forderungen – ohne dass wir es mitbekommen haben – bereits erfüllt sein sollten, würden wir das begrüßen. Über eine baldige Stellungnahme und eine Gelegenheit zum Austausch über den Stand und das weitere Vorgehen bei der Umsetzung des KSAP würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Parents & People for Future Mannheim
Fridays for Future Mannheim
Extinction Rebellion Mannheim
Mannheim Zero
Mannheim kohlefrei

Kurzfassung des offenen Briefs der Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen an die Stadt Mannheim zum Klimaschutzaktionsplan (23.11.2023)

Die Mannheimer Klimagerechtigkeitsinitiativen unterstützen das Ziel der Stadt, bis 2030 klimaneutral zu werden, auch wenn die Einhaltung des Mannheimer Emissionsbudgets damit nicht gesichert ist. Voraussetzungen für die Einhaltung dieses knappen Zeitplans wären ein realistischer Pfad vom Status Quo zur Klimaneutralität, Transparenz des Transformationsprozesses und Beteiligung der Öffentlichkeit, damit das Vorhaben von einer möglichst breiten Mehrheit mitgetragen wird.

Diese Voraussetzungen sind zurzeit nicht erfüllt. Der im letzten Jahr für Mannheim entwickelte Klimaschutzaktionsplan (KSAP) bietet keine Sicherheit, dass damit tatsächlich Klimaneutralität erreicht wird, weil der Inhalt an vielen Stellen noch sehr unkonkret ist, weil die Umsetzung der Maßnahmen nicht gesichert ist, und weil es keine belastbare Abschätzung gibt, in welchem Umfang die CO2-Emissionen dadurch reduziert würden. Der Inhalt des mit der EU abgeschlossenen „Klimastadtvertrags“ ist weder der Öffentlichkeit noch uns bekannt. Die für die Nachverfolgung und Visualisierung der Transformation vorgesehene Software Climateview ist noch nicht online.

Wenn das 2030er-Ziel noch realistisch sein soll und dafür auch die nötige Unterstützung der Öffentlichkeit hergestellt werden soll, müssen die KSAP-Maßnahmen dringend konkretisiert und priorisiert werden. Vorrangig sind dabei die Maßnahmen in den Bereichen Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie wegen deren hohen Anteilen an den CO2-Emissionen und der teilweise absehbar langen Planungs- und Umsetzungszeiträume.

Für die Dekarbonisierung der Fernwärme ist ein Plan erforderlich, welche erneuerbaren Wärmequellen ab wann wieviel Energie pro Jahr liefern sollen. Ziel muss die frühestmögliche Unabhängigkeit von fossiler Energieerzeugung im GKM (auf jeden Fall vor 2030) sein. Für den Ausbau des Fernwärmenetzes dürfen die betriebswirtschaftlichen Ziele der MVV nicht wichtiger sein als die Klimaziele. In Stadtteilen, die nicht mit Fernwärme versorgt werden können, müssen Alternativen (nach Möglichkeit Nahwärme) angeboten werden. Für Gebäudesanierung und Heizungstausch müssen sehr schnell Beratungsangebote und ergänzende kommunale Förderprogramme aufgesetzt werden, die u.a. Voraussetzungen für eine warmmietenneutrale Sanierung schaffen.

Für das Handlungsfeld Mobilität ist es wichtig, dass die Verkehrsplanung sehr schnell auf eine weitgehende Verlagerung des innerörtlichen Autoverkehrs auf Fuß- und Radverkehr und den ÖPNV und eine leichtere Erreichbarkeit der Stadt aus dem Umland ohne Auto ausgerichtet wird. Damit die öffentlichen Verkehrsmittel (einschließlich der S-Bahn) einen höheren Anteil des Verkehrs übernehmen können, müssen sie zuerst wieder zuverlässig werden, d.h. es darf z. B. keine Fahrtausfälle wegen Personalmangel mehr geben. Daneben müssen – wegen der langen Vorlaufzeiten – Planungsprozesse für Infrastrukturmaßnahmen wie zusätzliche Straßenbahnlinien und ein Vorrangnetz für den Radverkehr sehr kurzfristig eingeleitet werden.

Die Industriebetriebe müssen auch kurzfristig Konzepte für eine Umstellung energieintensiver Prozesse auf Strom, grünen Wasserstoff oder andere erneuerbare Brennstoffe entwickeln. Bislang mit Öl- oder Gasverbrennung selbsterzeugter Strom und selbsterzeugte Heizwärme sollten so weit wie möglich aus erneuerbarer Energie gedeckt werden.

Für jede Maßnahme muss ermittelt werden, wie viel CO2-Emissionen eingespart werden. Falls diese Potenziale nicht ausreichen, um Klimaneutralität zu erreichen, muss der KSAP durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden. Ein transparentes Monitoring und eine regelmäßige Bürgerbeteiligung sollen die Öffentlichkeit kontinuierlich über den Status der Transformation und insbesondere auch über mögliche Abweichungen vom geplanten Pfad informieren.

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